Haben Sie in Ihrer Praxis ähnliche Fälle, wie den eingangs erwähnten, auch schon beobachtet? Es soll keine Zeit mit Vorbereitungsarbeiten vergeudet werden. Schliesslich will man rasch und zielstrebig losmarschieren. Dann folgen meist überraschungsreiches Improvisieren und zeitraubendes Reparieren.
Die Alternative zur ungenügenden Vorbereitung von Veränderungsprojekten besteht sicher nicht in unzähligen Analysen und umfangreichen Detailplanungen. Ich zeige im Folgenden stattdessen, dass es sich lohnt, solche Projekte optimal (nicht maximal) vorzubereiten. Anschliessend führe ich vor, wie das so einfach als möglich, aber nicht einfacher gemacht werden kann.
Dass ein anspruchsvolles Veränderungsvorhaben noch nicht startklar ist, erkennt man zum Beispiel an folgenden Punkten:
- Organisatorische Zusammenhänge sind übersehen worden. Beispielsweise wurde nicht erkannt, dass die beabsichtigte Veränderung des Organigramms eine Anpassung von Geschäftsprozessen und in der Folge der IT nach sich zieht. Daher wird der Aufwand für das Entwicklungsvorhaben unterschätzt. Oft werden notwendige Massnahmen zu spät eingeleitet.
- Der Kommunikation ist zu wenig Bedeutung geschenkt worden. Häufig werden dann der Sinn und der Nutzen des Projekts unzureichend verdeutlicht. Wenn nicht genügend Orientierung vermittelt wird, bleibt den Betroffenen unklar, wo die Reise hinführt. Nicht selten entsteht der Eindruck, dass das bisher Geleistete nichts mehr Wert ist. All das drückt auf die Motivation, verstärkt Akzeptanzprobleme, schürt Konflikte und Widerstände.
- Ein zielführendes Stakeholder-Management ist nicht vorbereitet worden. Das führt zu Einbussen bei der Unterstützung des Projekts.
- Zu Personal- und Teamentwicklungsmassnahmen hat man sich kaum Gedanken gemacht. Das birgt das Risiko, dass diese zu spät oder gar nicht ergriffen werden. Beim Übergang in die neue Organisation belastet das nicht selten die Zusammenarbeit und die Leistungsfähigkeit der Betroffenen.
- Das Design des Veränderungsprozesses passt nicht zum Vorhaben. Das zeigt sich häufig in einem unrealistischen Zeitbudget, falsch gesetzten Prioritäten, zu wenig Agilität oder problematischer Methodenwahl.
Wie ich oben gezeigt habe, führt mangelhafte Vorbereitung komplexer Veränderungen zu Mehraufwand ohne Mehrwert. Die betroffenen Menschen und die Organisation werden unnötig belastet. Meist wird später ein Mehrfaches der anfangs eingesparten Zeit investiert, um das Projekt auf Kurs zu halten. All das führt manchmal sogar dazu, dass das Tagesgeschäft so sehr belastet wird, dass die Kundenzufriedenheit sinkt.
Es überrascht daher nicht, wenn der „Change-Management-Guru“ John P. Kotter festhält, dass sich die grössten Fehler in der Anfangsphase eines Veränderungsprojekts zutragen. Wer ein solches Projekt nicht optimal vorbereitet, gefährdet dessen Erfolg von Beginn weg. Es lohnt sich also auf alle Fälle, zu Beginn etwas Zeit zu investieren, um das Projekt gut aufzugleisen.
Natürlich ist anfangs noch vieles unklar. Eine ganze Palette von Fragen kann erst vorläufig oder noch gar nicht beantwortet werden. Die Vorbereitungsarbeiten werden daher zunächst nur soweit vorangebracht, wie es nötig ist, um einen ersten Überblick über die beabsichtigte Organisation und den Veränderungsprozess zu erhalten. Dieses Work in progress wird im Verlaufe des Projekts mit der nötigen Agilität ausgearbeitet.

Die optimale Vorbereitung eines komplexen Veränderungsprojekts umfasst drei Schritte (vgl. dazu die obige Graphik). Beim ersten Schritt der Vorbereitung geht es in vor allem darum, erste Richtungsentscheide – insbesondere mit Blick auf die künftige Organisation – zu fällen. Meist ist nur ein kleiner Kreis von Führungskräften beteiligt.
Konkrete Aufgaben, die in dieser Phase anfallen, sind zum Beispiel:
- Festlegen von ökonomischen, zeitlichen und qualitativen Richtgrössen.
- Skizzieren der neuen Organisation in ihren Grundzügen; Abschätzen des damit im Vergleich zu der bestehenden Lösung erreichbaren Mehrwert.
- Erkennen organisatorischer Zusammenhänge (z. B. können weitgehende Veränderungen wichtiger Prozesse einen Einfluss auf die Anforderungen an die Inhaber der betroffenen Stellen und auf die Mitarbeiterführung haben).
- Identifizieren der wichtigsten Aufgaben, die anfallen, um von der alten in die neue Organisation zu kommen (unter Berücksichtigung obiger Zusammenhänge).
Mit dem zweiten Schritt der Vorbereitung wird das grundlegende Design des Veränderungsprozesses des Projekts entwickelt. Es geht nicht darum, die Details zu konzipieren. Vielmehr verschafft man sich einen ersten Überblick über den Veränderungsprozess. Meist wird hier das Kernteam des Projekts aktiv.
Konkrete Aufgaben, die in dieser Phase erbracht werden, sind zum Beispiel:
- Abschätzen der Auswirkungen der Organisationsveränderung auf die betroffenen Teams, Führungskräfte und Mitarbeitenden. Gegebenenfalls rechtzeitig Team- und Personalentwicklungsmassnahmen vorsehen.
- Beteiligung am Projekt regeln. Dabei benötigte Arbeitsleistungen, erforderliche Kompetenzen, aber auch Aspekte wie Akzeptanzsteigerung, Weiterentwicklung der beruflichen Kompetenzen oder Vertraulichkeit beachten. Jekami vermeiden.
- Aufzeigen wie die Beziehungen zu den übrigen Anspruchsgruppen gepflegt werden sollen.
- Skizzieren des grundlegenden Designs des gesamten Veränderungsprozesses. Dabei nicht nur sachliche, sondern immer auch soziale und zeitliche Aspekte einbeziehen. Später phasenweise und mit der nötigen Agilität ausarbeiten.
Mit dem dritten Schritt der Vorbereitung stellt das Kernteam des Veränderungsprojekts sicher, dass der Start der eigentlichen Projektarbeit gut gelingt.
Konkret fallen unter anderem folgende Aufgaben an:
- Vorbereiten der Kommunikation mit den betroffenen Führungskräften, Mitarbeitenden und übrigen Stakeholdern. Dabei vor allem Sinn vermitteln und Orientierung geben. Rechtzeitig umsetzen (lassen).
- Prioritäten/Reihenfolge der Aufgaben der ersten Projektphase definieren, dabei unter anderem auch Low hanging fruits berücksichtigen. Bestimmen was konkret beim Projektstart wie zuerst angepackt werden soll.
- Festlegen wer in dieser ersten Projektphase konkret woran mitarbeitet und welche Rollen wahrgenommen werden sollen.
- Kick-off des Projekts vorbereiten. Dabei sachliche, soziale und zeitliche Aspekte so gestalten, dass möglichst viel Energie für die Projektarbeit entsteht.
Die mit in den drei Arbeitsschritten erarbeiteten Designs werden während des Veränderungsprozesses weiter ausgestaltet. Dabei leisten Ansätze des agilen Projektmanagements wertvolle Unterstützung.
Selbst wenn die Vorbereitung optimal statt maximal ist, verursacht sie einen gewissen Aufwand. Wie weiter oben dargestellt, erzeugen aber nicht genügend vorbereitete Change-Projekte im Nachhinein meist nicht nur einen beträchtlichen Mehraufwand für das Korrigieren von Fehlern, sondern auch unnötige Belastungen der Beteiligten. Daher lohnt es sich auf alle Fälle, sich die nötige Zeit für die Vorbereitung zu nehmen. Nicht zuletzt wird damit auch ein wichtiger Beitrag zum Projekterfolg geleistet.
Hinterlasse einen Kommentar